Nach einem langen, abenteuerlichen Wandertag durch die beeindruckende Landschaft Norwegens öffneten wir am ruhigen Mauranger Fjord eine Flasche Château Léoville Poyferré 2002. Nach 12 Kilometern rund um den Bondhusvatnet auf einem kinderfreundlichen Wanderweg – in Norwegen genauso selten wie eine gute Weinkarte – war es der perfekte Abschluss eines schönen, aber auch anstrengenden Tages, gespickt mit den unzähligen „Sind wir endlich da?“ Fragen der Kinder. In Sydonios Estete-Gläsern genossen, hielt der Wein genau das, was man von einem 22 Jahre alten Bordeaux der linken Uferseite erwartet: eine perfekte Balance aus jugendlicher Spannung und gereiften Tertiäraromen.
In einem tiefen, dichten Purpur schimmernd, versprach der Léoville Poyferré 2002 eine intensive Erfahrung. Schon in der Nase entfaltete sich ein komplexes Bouquet aus erdigen Noten, Lakritz, Crème de Cassis und einem Hauch von gerösteter neuer Eiche. Am Gaumen spiegelten sich fruchtige Aromen, gut integrierte Eiche und würzige Nuancen, abgerundet durch eine feine Mineralität. Die Reinheit und Lebendigkeit im Mund, gepaart mit einer perfekt ausbalancierten „Spannung“, wie die Franzosen sagen, machten diesen Wein zu einem wahren Erlebnis. Der Abgang war lang und erfüllend, mit geschmeidigen Tanninen und die über eine halbe Minute im Mund bleiben.
Der Jahrgang 2002 war herausfordernd und brachte gemischte Ergebnisse. Ein trockener Winter und ungewöhnliche Wärme im Februar führten nicht zu einem frühen Austrieb, da Wasserreserven fehlten. Ein kühler März verzögerte die Entwicklung der Cabernet-Knospen, und obwohl ein kurzer Frost im April keine Schäden hinterließ, beeinträchtigten wechselhafte Bedingungen die Reifung. Besonders der Mai stellte eine Herausforderung dar: Nach einer kurzen Hitzewelle setzte die Blüte ein, aber anhaltende Regenfälle verzögerten diesen Prozess über Wochen und führten zu unregelmäßiger Reifung, vor allem beim Merlot, der bis zu 75% Einbußen verzeichnete. Der Sommer war warm, aber wolkig, mit geringer Sonneneinstrahlung und Fäulnis ab Mitte August. Ein stabiler Hochdruckeinfluss im September ermöglichte es jedoch gut gepflegten Weinbergen, eine späte Reife zu erreichen – was besonders den Cabernets und dem Petit Verdot zugutekam.
Der Château Léoville Poyferré verkörpert das Beste, was Bordeaux in einem schwierigen Jahrgang zu bieten hat, und befindet sich jetzt auf dem idealen Höhepunkt zwischen jugendlicher Frische und gereiften Aromen – ein Genuss für Kenner und Liebhaber. Ein anderer Camper erkannte den Wein und lobte sogar die herausragenden Sydonios-Gläser, was das Erlebnis perfekt abrundete. Wahrscheinlich ist das der einzige Camping-Tipp, den ich geben kann: Die Sydonios-Gläser, sicher gebettet in luxuriösen Boxen mit maßgeschneidertem Baumwollpolster, würden wohl sogar unangeschnallt ein WRC Rennen bruchfrei überstehen und dürfen in keinem Arbenteuerurlaub fehlen.
Diese Flasche verdient 95/100 Punkten!